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25.11.2024Elke Jauk-Offner

Notendruck - Lust und Frust

Was kann eine Note über die Leistung aussagen? „In der Praxis sind Noten nicht Beschreibungen, sondern Bewertungen von Leistungen. Das sagen ja schon Bezeichnungen wie ‚befriedigend‘ oder ‚gut‘. In diesen Bewertungen steckt in der Regel ein Teil Bezug zu vorgestellten Zielen, zum größeren Teil ein ‚sozialer‘ Vergleich: In einer Schulklasse ist ein Schüler mit ‚Gut‘ in der Regel kompetenter in Bezug auf die angestrebten Ziele als ein Schüler mit ‚Befriedigend‘. Noten sagen daher wenig über die tatsächliche Leistung oder das tatsächliche Können aus, aber viel über die Leistungsposition eines Kindes im Kontext seiner Klasse. Noten sind ungeeignet, Lernfortschritte sichtbar zu machen!“


Welche Einflussfaktoren kommen bei der Notengebung zum Tragen? „Dazu gibt es regalweise Forschungsliteratur, die besagt, dass die Notengebung beziehungsweise die erreichten Noten sehr von persönlichen Faktoren der Lehrpersonen, von der Tagesverfassung, von sozialen Einflüssen, vom Niveau der umgebenden Schulklasse, vom Niveau der betreffenden Schule und so weiter abhängen.“


 

Haben Schulnoten das Potenzial, Orientierungshilfe und Ansporn zu sein? „Manche Lehrpersonen vergeben schlechte Noten, damit die Schüler mehr lernen, andere tun es, weil die Schüler wenig können. Für die Schüler enthalten schlechte Beurteilungen praktisch keine aufbauenden Elemente – sie lernen daraus lediglich, dass sie schlechter eingestuft werden als ihre Mitschüler. Oft führt dies zu Mutlosigkeit und Resignation. Ausnahmen kommen vor bei hochmotivierten Schülern, die durch ein eher einmaliges Versagen angespornt werden, mehr zu lernen. Entwicklungspsychologisch zeigt sich, dass die jungen Menschen zunehmend jene Schulfächer hassen, in denen sie schlechte Noten haben, und alles versuchen, bis hin zur Berufswahl, diesen Fächern zu entgehen.“


Worin liegen für Schüler Herausforderungen dieser Bewertung? „Der verstorbene Professor Rupert Vierlinger, zeit seines Lebens ein profunder Gegner der Ziffernnoten, hat es ungefähr so formuliert: ‚Wenn der Schüler nach der Note schielt, ist der Prozess des Lernens bereits gestört.‘ Der Wunsch nach guter Bewertung oder auch die Angst vor schlechter Bewertung führt dazu, dass Lernen nicht als Auseinandersetzung mit einem Ziel oder einer Aufgabe verstanden wird, sondern als strategischer Prozess zu Erreichung einer guten Bewertung, bei dem das Verstehen oder das sachliche Können möglicherweise auf der Strecke bleibt. Einfache Strategien dazu sind bloßes Auswendiglernen, Abschreiben, Schwindeln und sonstige Formen der Täuschung bis hin zur anwaltlichen Bedrohung von Lehrpersonen seitens der Eltern, ihrem Kind die notwendige gute Note zu geben.“

Welche alternativen Möglichkeiten gibt es zur Beurteilung in dieser Form? „Es gibt viele Formen von Rückmeldung in der Schule, in denen die unmittelbare Leistung der Kinder und Jugendlichen sichtbar wird, und nicht eine gefilterte Bewertung. Dazu gehören die direkte Leistungsvorlage, Portfolios, Lernziellisten mit Vermerken, was beherrscht wird, und vieles mehr. Realistischerweise muss man festhalten, dass so viele Noten-Beurteilungen, wie sie derzeit erteilt werden, ohnehin nicht notwendig sind, weil sie außer dem Selbstzweck zu nichts dienlich sind, Beispiel Semesternoten. Als Kontrast wäre hier eine Analyse denkbar, wie viele Beurteilungen Erwachsene in ihrer beruflichen Tätigkeit laufend erhalten – von Lehrpersonen ganz zu schweigen, die nach einer Anfangsphase praktisch beurteilungsfrei durch das Berufsleben gehen.“


Welche Systeme werden andernorts genutzt? „Die Beurteilung mit Ziffernnoten dominiert in den deutschsprachigen Systemen. Zahlreiche andere Länder haben – abgesehen von viel längeren notenfreien Zeiträumen, siehe Italien – zum Teil Systeme, die explizit die Beherrschung von Zielen wiedergeben und häufig mit Buchstaben abgekürzt werden. Ein plakatives und in meinen Augen sehr sinnvolles System ist der ‚Gemeinsame Europäische Referenzrahmen für Sprachen‘, wo durch klar definierte Anforderungen das Sprachniveau auf verschiedenen Stufen definiert ist und durch darauf abgestimmte Prüfungen erfasst werden kann.“

Elke Jauk-Offner
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